Mandantenbrief Juli 2022

Steuertermine

11.7. Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer

Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 14.7. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.

Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen.

Alle Angaben ohne Gewähr

Vorschau auf die Steuertermine August 2022:

10.8. Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer

Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 15.8. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.

Hinweis: In Bundesländern, in denen der 15.8. (Mariä Himmelfahrt) ein Feiertag ist, verschiebt sich die Zahlungsschonfrist auf den 16.8.2022 (Dienstag).

15.8. Gewerbesteuer
Grundsteuer

Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 18.8. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.

Hinweis: In Bundesländern, in denen der 15.8. (Mariä Himmelfahrt) ein Feiertag ist, verschiebt sich der Abgabe-/Zahlungstermin auf den 16.8.2022 (Dienstag) und die Zahlungsschonfrist auf den 19.8.2022 (Freitag).

Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen.

Alle Angaben ohne Gewähr

Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Juli 2022

Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für Juli ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 27.7.2022.

1. Für alle Steuerpflichtigen: Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Entsprechend der gesetzlichen Regelungen im Einkommensteuergesetz wird für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld unter anderem dann gewährt, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Ebenso wird Kindergeld gewährt, wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann oder aber das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

In einer Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind.

Dabei werden Ausbildungsmaßnahmen zwar einerseits durch eine Einschreibung an einer Schule oder Hochschule oder einen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbetrieb indiziert. Andererseits genügt aber das rein formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht, wenn es an einer ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahme fehlt. So auch bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 18.1.2018 unter dem Aktenzeichen III R 16/17. Soweit nämlich Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, liegt keine Berufsausbildung vor. Auch dies hat bereits einmal der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 3.7.2014 unter dem Aktenzeichen III R 52/13 klargestellt.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 15.7.2003 unter dem Aktenzeichen VIII R 47/02 für den Fall zugelassen, dass die Ausbildung infolge einer Erkrankung oder wegen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung entsprechend dem Mutterschutzgesetz unterbrochen wird. Gleiches hat der Bundesfinanzhof für den Fall angenommen, dass das Kind während eines Ausbildungsverhältnisses in Untersuchungshaft genommen oder wegen eines laufenden Strafverfahrens im Ausland mit einem Ausreiseverbot belegt wird. Letzteres geht aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.7.2006 unter dem Aktenzeichen III R 69/04 hervor.

Vorausgesetzt wurde insoweit jedoch, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und auch ausbildungswillig ist. Wurde das Ausbildungsverhältnis hingegen beendet, indem das Kind beispielsweise von der Schule abgemeldet wurde oder der Ausbildungsvertrag einvernehmlich aufgehoben oder einseitig gekündigt wurde, fehlt es schon am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Die tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen ist dann nicht mehr wegen der Erkrankung oder der Mutterschutzfristen, sondern wegen des Wegfalls des Ausbildungsverhältnisses ausgeschlossen. Dementsprechend kommt eine Berücksichtigung entsprechend den einkommensteuerlichen Vorschriften in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr in Betracht, soweit eine Ausbildung infolge einer Erkrankung nicht unterbrochen, sondern abgebrochen wurde.

Auch die Alternative des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c EStG, wonach die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, noch möglich ist, hat weitere Voraussetzungen. So ist es hier unabdingbar, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert. Es ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen, seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern. Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Fall des Erfolges seiner Bemühungen antreten können. In der Person des Kindes liegende Gründe, welche der Aufnahme einer Berufsausbildung entgegenstehen, liegen hingegen vor, wenn ein Kind nicht die Voraussetzung für den angestrebten Studiengang erfüllt oder wenn ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung entgegenstehen. Ein Kind ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn es seine Ausbildung wegen Übergewichts nicht antreten kann, wie bereits der Bundesfinanzhof in einem Beschluss vom 8.11.1999 unter dem Aktenzeichen VI B 322/98 klargestellt hat. Dagegen ist es für den Bezug von Kindergeld ausnahmsweise unschädlich, wenn das Kind die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz unterbricht.

Ist ein Kind also aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.

Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die von der gesetzlichen Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c EStG erfassten Fälle von denen unter Nummer 3 der Regelung fallenden Fälle abzugrenzen. Letztere Bestimmung erfordert zum einen eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die nach den maßgeblichen Legaldefinitionen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung voraussetzt. Zweck dieses Kriteriums ist es, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behindertenbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen. Zum anderen werden Kinder mit einer Behinderung nur dann berücksichtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, was eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel erfordert. Insoweit lässt sich der gesetzgeberische Wille erkennen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung des Kindes eine typische Unterhaltssituation, die zur steuerlichen Berücksichtigung des Kindes führt, nicht allein aufgrund der Erkrankung angenommen werden darf, sondern darüber hinaus die Feststellung eines konkreten Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Die Wertung des Gesetzgebers würde aber umgegangen, wenn längerfristig erkrankte Kinder auch erfasst werden könnten, ohne dass eine solche Bedarfsprüfung stattfindet. Gerade bei längerfristig erkrankten Kindern ist nicht ausgeschlossen, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, die einen Unterhaltsbedarf ausschließen.

Werden die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder die Aufnahme einer Ausbildung daher durch eine Krankheit verhindert, darf die berücksichtigungsfähige gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Dabei ist nicht die rückblickend seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend.

Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungsfähigkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird. So setzt der Berücksichtigungszeitraum bei einem gesunden Kind voraus, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist zudem glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungswillig gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als Auszubildender gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungsfähigkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Kinder, die bereits volljährig sind, haben dabei mitzuwirken. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungsinhalte des Kindes zu treffen.

Obwohl das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist. Allerdings wird spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat.

Auch die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kinderanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Als Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen in Betracht. Allerdings muss auch betont werden, dass der sogenannte Untersuchungsgrundsatz keine Beschränkung auf dieses Beweismittel zulässt. Denkbar sind daher auch alle anderen Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die Wiederaufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Ebenso ist denkbar, dass das Kind sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine Ausbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn, aber doch jedenfalls am Ende der Erkrankung aufzunehmen.

Regelmäßig nicht ausreichend für eine Kindergeldberechtigung wird es dagegen sein, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet wird. Denn in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kind während der Erkrankung seinen Ausbildungswillen aufgegeben und sich beispielsweise für die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit oder eines freiwilligen Dienstes entschieden hat. In den letztgenannten Fällen wäre die Wartezeit bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit oder des freiwilligen Dienstes im Gegensatz zur Wartezeit bis zur Aufnahme der Ausbildung nicht von den zum Kindergeld berücksichtigenden Tatbeständen erfasst.

Wie wichtig es ist, sich an dieser Stelle an die Spielregeln der Finanzverwaltung zu halten, zeigt insoweit die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 31.8.2021 unter dem Aktenzeichen III R 41/19. In diesem Streitfall konnten nämlich keine genaueren Feststellungen dazu getroffen werden, welcher Art die Erkrankung des Kindes ist. Auch fehlten nähere Feststellungen dazu, ob die nach der Art der Krankheit zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern würde. Schließlich lassen sich die tatsächlichen Feststellungen zur Frage der Ausbildungswilligkeit nicht dahingehend deuten, dass eine solche tatsächlich bestanden hat. Im Ergebnis hat daher der Bundesfinanzhof die Kindergeldberechtigung für die fraglichen Zeiträume verworfen.

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2. Für alle Steuerpflichtigen: Was, wenn bei Ehegatten nur einer den Rechtsbehelf eingelegt?

Der folgende Beitrag zeigt, wie wichtig es ist, gerade im Steuerrecht beim Streit mit dem Finanzamt auch die verfahrensrechtlichen Regeln zu kennen. Dies gilt insbesondere auch in Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten, wenn gegen den Bescheid vorgegangen werden soll. Wie eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 14.12.2021 unter dem Aktenzeichen VIII R 16/20 zeigt, sind dabei nämlich besondere Knackpunkte zu beachten.

So hat der Bundesfinanzhof in seiner oben zitierten Entscheidung geurteilt: Erhebt im Falle einer Zusammenveranlagung nur ein Ehegatte Klage gegen den Einkommensteuerbescheid und wird der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bestandskräftig, kann dem klagenden Ehegatten nicht allein deswegen die Klagebefugnis und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, weil die festgesetzte Steuer schon entrichtet ist und ein Aufteilungsbescheid nicht mehr beantragt werden kann.

Was genau hinter dieser Entscheidung steckt, zeigt sich in der Begründung der obersten Finanzrichter der Republik. Werden nämlich Steuerpflichtige zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, sind sie Gesamtschuldner. Dies geht aus der gesetzlichen Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hervor. Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, kann gegen sie ein zusammengefasster Steuerbescheid erlassen werden. Ein in der Form des zusammengefassten Steuerbescheids ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält jedoch zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbstständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Steuerverwaltungsakte, die ein unterschiedliches verfahrensrechtliches Schicksal haben können. Dies haben die obersten Richter des Bundesfinanzhofs bereits in einer Entscheidung vom 28.7.2005 unter dem Aktenzeichen III R 48/03 herausgearbeitet, und es gilt auch allgemein als vollkommen unstrittig.

Vereinfacht gesagt kann man es sich schlicht so vorstellen, dass man zwar nur ein Papier erhält, auf diesem Papier befinden sich jedoch mehrere Bescheide bzw. verfahrensrechtlich korrekt gesagt mehrere Verwaltungsakte. Verfahrensrechtlich sind zusammen veranlagte Ehegatten daher zwei getrennte Steuerschuldner. Auch dies hat bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 20.11.2013 unter dem Aktenzeichen X R 7/11 erarbeitet, und es ist vollkommen unstrittig.

Aus der Eigenständigkeit jedes einzelnen Ehegatten in verfahrensrechtlicher Hinsicht folgt, dass ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs hat. Auch wenn man annehmen könnte, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er legt den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein. So zu entnehmen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.12.2006 unter dem Aktenzeichen X R 38/05.

Auf Basis dieser Grundsätze ist bei dem vorliegend entschiedenen Streitfall die Auslegung korrekt, wonach die Klage nur im eigenen Namen des Klägers nicht zugleich im Namen seines Ehegatten erhoben wurde.

Im vorliegenden Fall war es zwar sogar so, dass sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide für die maßgeblichen Streitjahre eingelegt haben. Dementsprechend wurden bei der Einspruchsentscheidung auch beide Eheleute als Inhaltsadressaten aufgeführt. Vorliegend kam es nun jedoch so, dass der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz ausdrücklich nur im Namen des Klägers (vorliegend des Ehemannes) Klage erhoben hat. Tatsächlich hat er zwar in der Klagebegründung auch den Namen der Ehefrau des Klägers in der Betreffzeile genannt und auch eine von der Ehefrau unterschriebene Prozessvollmacht bei Gericht eingereicht. Demgegenüber hatte er jedoch auf Nachfrage des Finanzgerichtes einwandfrei klargestellt, dass die Klage von dem Kläger geführt werde, und dabei darauf hingewiesen, dass in der Streitsache ausschließlich die Einkünfte des Klägers, nicht auch die seiner Ehefrau, betroffen sind.

Ein großes Problem dieses Sachverhaltes war daher, dass diese Aussage nicht von einem steuerlich nichtkundigen Bürger getroffen wurde, sondern von dem Prozessbevollmächtigten der Steuerpflichtigen. Vor dem Hintergrund, dass es ein Gebot der Rechtssicherheit darstellt, Rechtskundige, wie Angehörige der steuerberatenden Berufe (also Steuerberater) oder Rechtsanwälte mit ihren Verfahrenserklärungen grundsätzlich beim Wort zu nehmen, ist das Finanzgericht deshalb vollkommen zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage nicht im Namen der Ehefrau des Klägers erhoben wurde. Insoweit hatte bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 14.6.2016 unter dem Aktenzeichen IX R 11/15 wiederholt klargestellt, dass man bei der Aussage eines Steuerberaters oder Anwalts nicht davon auszugehen braucht, dass dieser sich irrt, sondern dass dieser vielmehr genau das meint, was er sagt.

Im vorliegenden Sachverhalt konnte auch nicht angenommen werden, dass der Kläger im eigenen Namen Klage gegen die seiner Ehefrau gegenüber ergangenen Steuerfestsetzungen erhoben hat. Für eine solche Prozessstandschaft, bei der der Kläger als Sachverwalter die Rechte seiner Ehefrau im eigenen Namen geltend machen könnte, ist im Finanzgerichtsprozess kein Raum. Auch dies haben bereits die obersten Richter in einer Entscheidung vom 11.4.1991 unter dem Aktenzeichen V R 86/85 herausgearbeitet, wobei der vorliegend nicht einschlägige Sonderfall des § 48 Abs. 1 Nummer 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) davon ausgenommen ist. Der Grund für diese strenge Auslegung ist, dass die Klagebefugnis ausschließlich an die Verletzung eigener, gesetzlich begründeter Rechte durch den angefochtenen Verwaltungsakt anknüpft.

Insoweit kann als Zwischenfazit gezogen werden, dass bei Erhebung der Klage Vorsicht geboten ist, für wen tatsächlich geklagt wird!

Im vorliegenden Fall ging der Steuerstreit jedoch noch ein wenig weiter. So ging das erstinstanzliche Finanzgericht sogar davon aus, dass aufgrund der Bestandskraft bei der Ehefrau (mangels Klageerhebung) auch die Klagebefugnis des Ehemanns verwirkt sei. Dies ist jedoch vollkommen falsch, wie der Bundesfinanzhof in der vorliegenden Entscheidung erfreulicherweise darlegt.

Die hier vorliegende Anfechtungsklage ist nämlich nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich erscheinen. Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 10.10.2007 unter dem Aktenzeichen VII R 36/06 geurteilt hat.

Danach ist folglich die Klagebefugnis des Klägers gegeben, denn dieser hatte geltend gemacht, die Einkommensteuer sei in den Streitjahren aufgrund des unzutreffenden Ansatzes seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen rechtswidrig zu hoch festgesetzt worden, wodurch er in seinen Rechten verletzt werde. Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Kläger angestrebte Minderung der Einkommensteuer offensichtlich und von vornherein ausscheidet, konnte der Bundesfinanzhof nicht erkennen. Die Klagebefugnis des Ehemanns entfällt auch nicht deshalb, weil die gegenüber der Ehefrau des Klägers ergangene Einkommensteuerfestsetzung bereits bestandskräftig geworden ist und der Kläger für die hieraus resultierende Einkommensteuer gesamtschuldnerisch haftet. Denn ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger und seine Ehefrau gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt werden, bleiben sie verfahrensrechtlich unterschiedliche Rechtssubjekte. Steuerschuldner und Adressat der Einkommensteuerfestsetzung ist immer noch jeder Ehegatte für sich allein. Ob eine Verletzung eigener Rechte im Sinne der Anfechtungsklage möglich erscheint, beurteilt sich daher ausschließlich nach der gegenüber dem jeweiligen Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer, bei der es sich insoweit um einen verfahrensrechtlich selbstständigen Steuerverwaltungsakt handelt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Klagebefugnis entfällt, wenn eine geänderte Einkünfteaufteilung zwischen zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten keine steuerrechtliche Auswirkung mehr haben kann, weil ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld wegen vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer nicht mehr in Betracht kommt. Denn die Zuerkennung der Klagebefugnis beruht in einem solchen Fall darauf, dass der Ehegatte bei einer Aufteilung der Einkommensteuerschuld allein durch die fehlerhafte Zurechnung der Einkünfte beschwert sein kann, auch wenn sich dadurch die Höhe der festgesetzten Gesamtsteuerschuld nicht ändert. Dementsprechend kommt es zum Wegfall der Beschwer, wenn eine Aufteilung der Einkommensteuerschuld nicht mehr zulässig ist, weil dann nicht mehr die Möglichkeit besteht, aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuerschuld einen irgendwie denkbaren Nachteil zu erleiden. Aus dieser Tatsache kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Klagebefugnis des allein gegen den Einkommensteuerbescheid klagenden Ehegatten auch dann fehlt, wenn er eine Verminderung der ihm gegenüber festgesetzten Einkommensteuer begehrt und dies damit begründet, dass seine eigenen Einkünfte zu hoch angesetzt worden seien.

Zu guter Letzt führt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung noch aus, dass vorliegend auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben war.

Alles in allem zeigte die Entscheidung, dass die kleinen Formalien bei Erhebung eines Rechtsbehelfes häufig extrem wichtig sind, damit dieser (wie vorliegend im Fall der Ehefrau) nicht an Kleinigkeiten scheitert.

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3. Für alle Steuerpflichtigen: Wie sieht es nun mit der Steuerermäßigung für Handwerkerleistung bei statischen Berechnungen aus?

Seinerzeit hatte das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 4.7.2019 unter dem Aktenzeichen 1 K 1384/19 geurteilt, dass gutachterliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel Tätigkeiten, die der Wertermittlung dienen, die Erstellung eines Energiepasses oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Finanzierung, grundsätzlich keine Handwerkerleistungen darstellen, für die man eine Steuerermäßigung im Sinne des § 35a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhalten kann.

Davon abgrenzend stellten die erstinstanzlichen Richter jedoch auch entgegen anderen erstinstanzlichen Kollegen klar: Sollen schadhafte Holzpfosten, die das Dach des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Hauses stützen, durch Stahlstützen ersetzt werden und verlangt die beauftragte Firma eine statische Berechnung der einzusetzenden Stahlpfosten, so gehören die Aufwendungen für die von einer anderen Firma erstellten statischen Berechnungen zu den Handwerkerleistungen für den Austausch der Dachstützen. Die Tatsache, dass die mit dem Austausch der Stützen beauftragte Firma die statischen Berechnungen nicht selbst ausführen wollte oder konnte, spricht nicht gegen das Vorliegen einer aus Austausch der Stützen und statischer Berechnung bestehenden einheitlichen Handwerkerleistung. Wie eingangs schon gesagt, haben sich die Richter des Finanzgerichts Baden-Württemberg damit auch gegen ihre erstinstanzlichen Kollegen gestellt. So beispielsweise gegen eine Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 8.11.2016 unter dem Aktenzeichen 3 K 218/16 sowie gegen ein Urteil des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg vom 25.10.2015 unter dem Aktenzeichen 3 K 3130/17.

Tatsächlich gehen jedoch die Richter des Finanzgerichts Baden-Württemberg noch einen Schritt weiter. So war ebenfalls seinerzeit schon ihrem Leitsatz zu entnehmen: Wird ein Vorort-Termin zur Besichtigung des Daches durchgeführt, so gelten die statischen Berechnungen als „im Haushalt“ des Steuerpflichtigen im Sinne der Regelung für die Steuerermäßigung durchgeführt. Auch dies ist explizit ein Widerspruch zu der oben bereits zitierten Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 8.11.2016. Nach Auffassung der Richter aus Baden-Württemberg ist jedoch eine Aufspaltung danach, an welchem Ort welcher Teil der Handwerkerleistung erbracht wurde, sehr gekünstelt. Der Gesetzeszweck würde danach konterkariert, wenn man eine Handwerkerleistung danach aufspaltet, wo die Teile der Arbeitsleistung erbracht wurden, soweit sie letztlich der Wohnung des Steuerpflichtigen zugutekommen. Auch mit dieser Auffassung stellten sich die erstinstanzlichen Richter aus Baden-Württemberg gegen ihre erstinstanzlichen Kollegen. Ganz anders hatten nämlich in dieser Frage das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in einer Entscheidung vom 26.2.2018 unter dem Aktenzeichen 1 K 1200/17 sowie das Finanzgericht München in einer deutlich älteren Entscheidung vom 24 10.2011 unter dem Aktenzeichen 7 K 2544/09 entschieden.

Da insoweit die Entscheidung der Richter aus Baden-Württemberg durchaus schon umstritten war, war es nicht verwunderlich, dass seinerzeit die Finanzverwaltung die Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt hat. Diese ist mittlerweile entschieden. Konkret führen die obersten Finanzrichter der Republik darin wie folgt aus:

Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20% der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 Euro. Diese Ermäßigung gilt dabei nur für den Arbeitslohn.

Handwerkerleistungen sind einfache und auch qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. Dies hatte der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 21.2.2018 unter dem Aktenzeichen VI R 18/16 definiert. Begünstigt werden insoweit handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden.

Bei Anwendung dieser grundsätzlichen Voraussetzungen kommt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine Steuerermäßigung für die vorliegenden statischen Berechnungen nicht in Betracht. Der Grund: Ein Tragwerksplaner, also ein sogenannter Statiker, ist grundsätzlich nicht handwerklich tätig, sondern erbringt Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der baulichen Gesamtsituation. Dies geht beispielsweise aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 31.5.2011 unter dem Aktenzeichen I-24 U 164/10 hervor.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz in Form des Finanzgerichtes Baden-Württembergs stellen die statischen Berechnungen auch nicht deshalb eine Handwerkerleistung dar, weil diese für den Austausch von schadhaften Pfosten unerlässlich waren, wobei der Austausch unstreitig eine Handwerkerleistung darstellt. Die vom Finanzgericht Baden-Württemberg angenommene sachliche Verzahnung der Leistungen des Statikers mit den Handwerkerleistungen mag zwar in den Augen des Bundesfinanzhofs in der Sache zutreffen, führt aber im Weiteren nicht dazu, dass die Leistung des Statikers als anteilige Handwerkerleistungen im Sinne des § 35a EStG anzusehen sind.

Vielmehr sind beide Leistungen nach wie vor jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Handwerkerleistung eigenständig zu beurteilen. Diese Betrachtungsweise entspricht im Übrigen auch dem Rechtsgedanken der Urteile des Bundesfinanzhofs vom 13.5.2020 unter dem Aktenzeichen VI R 4/18 sowie der Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI R 7/18. Danach ist für eine von einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in der Werkstatt des Handwerkers an einem Gegenstand des Haushalts erbracht wird, nur insoweit die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren, als die Leistung tatsächlich einen unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt aufweist, für den sie erbracht wird. Ist schon eine von einem Unternehmer erbrachte Leistung hinsichtlich der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 35a EStG gegebenenfalls aufzuteilen, so sind erst recht zwei getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern erbrachte Leistung jeweils für sich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen einer Steuerermäßigung vorliegen.

Diese Beurteilung steht auch dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6.11.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 1/13 nicht entgegen. Dort hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien Ist-Zustandes, beispielsweise die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker, ebenso eine Handwerkerleistung sein kann wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder eine vorbeugende Maßnahmen zur Schadensabwehr. Im Streitfall unterhält der Statiker jedoch weder ein Handwerksbetrieb noch liegt eine handwerkliche Leistung vor. Der Zusammenhang mit der Handwerkerleistung reicht insoweit schlicht nicht aus, die statische Berechnung als Handwerkerleistung einzustufen.

Vor diesem Hintergrund kommen die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 4.11.2021 unter dem Aktenzeichen VI R 29/19 zu dem Schluss, dass für die Leistung eines Statikers, die in der statischen Berechnung besteht, die Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch dann nicht gewährt werden kann, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung unbedingt erforderlich war.

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4. Für alle Steuerpflichtigen: Ist die Abgeltungssteuer verfassungswidrig?

Auch wenn sich die Überschrift anhört, als wäre sie kaum zu glauben, so ist die Frage durchaus Realität und ernst gemeint. Der siebte Senat des Niedersächsischen Finanzgerichtes ist nämlich ausweislich seines Vorlagebeschlusses vom 18.3.2022 unter dem Aktenzeichen 7 K 120/21 davon überzeugt, dass die Abgeltungssteuer gegen das Grundgesetz verstößt. Konkret sehen die Richter einen Verstoß gegen die in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit.

Zur Begründung führen die Richter daher weitergehend an, dass die Abgeltungssteuer zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte gemäß § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und den übrigen Steuerpflichtigen mit anderweitigen Einkünften führt. Während die Bezieher von Kapitaleinkünften ausweislich der Regelung in § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG mit einem Sondersteuersatz von 25% (Abgeltungssteuer) abgeltend belastet werden, unterliegen die übrigen Steuerpflichtigen gemäß der Regelung in § 32a EStG einem Steuersatz von bis zu 45% (in der sogenannten Reichensteuer).

Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügen nach Ansicht der niedersächsischen Finanzrichter den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Weitere Rechtfertigungsgründe sind für die Erstinstanzlichen auch nicht ersichtlich.

Insbesondere ist nach Meinung des erkennenden Senats des Finanzgerichtes Niedersachsen die Abgeltungssteuer nicht zur Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs oder zur Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits geeignet. Unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Geeignetheit der Regelung ist die Erforderlichkeit zwischenzeitlich entfallen, da sich seit dem Inkrafttreten der Abgeltungssteuer die Möglichkeit der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert hat.

Weiterhin argumentieren die Richter des Niedersächsischen Finanzgerichts: Die Abgeltungssteuer ist auch nicht zur Standortförderung des deutschen Finanzplatzes geeignet und führt ebenso nicht zu einer wesentlichen Vereinfachung im Besteuerungsverfahren. Insoweit ergeben sich nach Meinung der erstinstanzlichen Richter keinerlei Rechtfertigungsgründe für die gleichheitswidrige Besteuerung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Schlussfolgerung lautet daher, dass die Abgeltungssteuer nicht im Einklang mit dem Grundgesetzt steht und folglich verfassungswidrig ist.

Daher wird nun eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes darüber eingeholt, ob die einkommensteuerliche Regelung in § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG (kurz die Regelung zur Abgeltungssteuer) in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von (lediglich) 25% mit abgeltender Wirkung vorsehen.

Hinweis:

Mittlerweile ist der Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht dort angekommen und wird unter dem Aktenzeichen 2 BvL 6/22 geführt. Mit Sicherheit werden wir wieder über dieses Normenkontrollverfahren berichten.

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5. Für Kapitalanleger: Was sind nachstehende Personen bei Personengesellschaften?

Warum die Frage der Überschrift wichtig wird, ergibt sich unmittelbar aus dem Einkommensteuergesetz. Gemäß der Regelung in § 32b Abs. 2 Nummer 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt der gesonderte Steuertarif des § 32b Abs. 1 EStG (gemeint ist die Abgeltungssteuer in Höhe von 25%) unter anderem nicht für bestimmte Kapitaleinkünfte, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Weiter greift die Abgeltungssteuer nicht, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen.

Das Problem an der Regelung: Bei dem Begriff der nahestehenden Personen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der normspezifisch für die Zwecke der vorliegenden Regelung auszulegen ist. So bereits der Bundesfinanzhof in einer früheren Entscheidung vom 29.4.2014 unter dem Aktenzeichen VIII R 9/13.

Im Ergebnis können unter den Begriff der nahestehenden Personen alle natürlichen und juristischen Personen fallen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Eine solche enge Beziehung hat der Bundesfinanzhof in seiner bisherigen Rechtsprechung im Verhältnis natürlicher Personen zueinander bejaht, wenn die nahestehende Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingung einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person ein außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Dieser ewig lange Schachtelsatz ist so der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.10.2016 unter dem Aktenzeichen VIII R 27/15 zu entnehmen und bedeutet unter dem Strich nichts anderes, als dass ein irgendwie geartetes Beherrschungsverhältnis gegeben sein muss.

Das Beherrschungsverhältnis muss dabei so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Näheverhältnis ist nicht ausreichend, um ein entsprechendes Näheverhältnis für die vorliegende Regelung zu begründen. So auch bereits der BFH in einer Entscheidung vom 29.4.2014 unter dem Aktenzeichen VIII R 44/13.

Bei einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss aufgrund seiner Beteiligung grundsätzlich nur dann ausüben, wenn für Gesellschafterbeschlüsse ein Stimmrechtsverhältnis vereinbart ist, dass es dem betreffenden Gesellschafter ermöglicht, seine Mitgesellschafter zu überstimmen. Geklärt wurde dies in einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11.12.1990 unter dem Aktenzeichen VIII R 14/87. Die Beherrschung einer Personengesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter setzt daher grundsätzlich voraus, dass diese eine Beteiligung an der Personengesellschaft innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Die Beherrschung der Personengesellschaft braucht dabei nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung zu beruhen. Sie kann auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden, wie bereits der Bundesfinanzhof mit Entscheidung vom 27.8.1992 unter dem Aktenzeichen IV R 13/91 herausgearbeitet hat.

In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann der Gesellschafter trotz fehlender rechtlicher Möglichkeit zur Durchsetzung des eigenen Willens die Gesellschaft faktisch beherrschen. Eine solche faktische Beherrschung liegt insbesondere dann vor, wenn auf die Gesellschafter, deren Stimmen zur Erreichung der im Einzelfall erforderlichen Stimmenmehrheit fehlen, aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen Druck dahingehend ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person unterordnen. Dass solche durchaus besonderen Umstände vorliegen, muss jedoch im Einzelfall festgestellt werden. Die objektive Feststellungslast hat dabei derjenige zu tragen, der daraus günstige Rechtsfolgen für sich ableitet.

Der Bundesfinanzhof fasst in seiner Entscheidung vom 28.9.2021 unter dem Aktenzeichen VIII R 12/19 daher wie folgt zusammen: Ein Näheverhältnis im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 32d Abs. 2 Nummer 1 Buchstabe a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Das gleiche gilt, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

Hinweis:

Auch wenn sich der Leitsatz des Bundesfinanzhofs so anhört, als hätten vorliegend die klagenden Steuerpflichtigen verloren, ist dem nicht so. Tatsächlich hatte vorliegend das Finanzamt ein Näheverhältnis angenommen, obwohl die Kläger die Personengesellschaft nicht kontrollieren konnten. In der Praxis muss daher vielerorts, insbesondere bei verschachtelten Verhältnissen, ganz genau hingeschaut werden.

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6. Für Arbeitnehmer: Preisgelder im Zusammenhang mit der Arbeitnehmertätigkeit sind steuerpflichtig!

Mit Entscheidung vom 16.3.2022 hat das erstinstanzliche Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 13 K 1398/20 E klargestellt, dass ein Forschungspreisgeld, welches im vorliegenden Fall ein Hochschulprofessor für bestimmte wissenschaftliche Leistungen in seinem Forschungsbereich erhalten hat, als steuerpflichtiger Arbeitslohn angesehen werden muss.

Zum besseren Verständnis im Folgenden daher kurz zum Sachverhalt der Entscheidung: Der klagende Professor veröffentlichte im Rahmen eines Habilitationsvorhabens in den Jahren 2006 bis 2016 insgesamt acht Publikationen zu seinem Forschungsfeld. Aufgrund dieser Arbeiten und einer Probevorlesung erkannte eine Universität dem Hochschulprofessor im Jahr 2016 die Habilitation zu. Bereits im Jahr 2014 wurde er zum Professor an einer anderen Hochschule berufen, wobei eine Habilitation dort keine Voraussetzung für die Berufung als Professor war. Für seine Habilitation erhielt der Kläger im Streitjahr 2018 einen mit einem Geldbetrag dotierten Forschungspreis. Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2018 ordnete das Finanzamt den Forschungspreis den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit zu.

Exakt hiergegen wehrte sich der Hochschulprofessor und wandte ein, dass der Erhalt des Forschungspreises nicht an sein Dienstverhältnis gekoppelt gewesen sei und sich auch nicht als Gegenleistung für seine Arbeit als Professor darstellte da die Erlangung des Forschungspreises nichts mit seinen Dienstaufgaben zu tun habe. Insoweit könne auch kein Zusammenhang mit den erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gegeben sein.

Das erstinstanzliche Finanzgericht Münster sah dies mit der oben bereits zitierten Entscheidung jedoch anders und hat die Klage des Professors abgewiesen. Zur Begründung führten die Richter wie folgt aus: Der Forschungspreis ist bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit sehr wohl zu erfassen. Der vorliegend erhaltene Forschungspreis führt sehr wohl zu Erwerbseinnahmen und damit zu Arbeitslohn, wenn die Zuwendung wirtschaftlich den Charakter eines leistungsbezogenen Entgelts hat.

Als privat veranlasst sind dagegen lediglich Preise zu beurteilen, die für das Lebenswerk, die Persönlichkeit oder das Gesamtschaffen verliehen werden. Im vorliegenden Streitfall erkannten die erstinstanzlichen Richter jedoch, dass das Preisgeld im weitesten Sinne als Gegenleistung für die individuelle Arbeitskraft des Klägers als Professor bei der Hochschule anzusehen ist, da die Forschungen und die Publikationen von Forschungsergebnissen zu den Dienstaufgaben als Hochschullehrer gehören. Damit besteht für das erstinstanzliche Gericht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Habilitation des Klägers als wissenschaftlicher Forschungsleistung und dessen Dienstverhältnis.

Ausdrücklich erwähnen die Richter des Finanzgerichts Münster dabei, dass dieser Einschätzung nicht entgegensteht, dass der Kläger bereits im Jahr 2014, zeitgleich mit der Zuerkennung der Habilitation, als Professor an die Hochschule berufen worden ist und die Habilitation keine Voraussetzung für diese Berufung gewesen ist.

Hinweis:

Auch wenn es vorliegend um einen Hochschulprofessor ging, so ist der Kern der Streitfrage natürlich auch auf alle anderen Arbeitnehmer übertragbar, die in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit ihrem Dienstverhältnis ein Preisgeld erhalten. Insoweit ist Vorsicht geboten.

Tipp:

Der vorliegend klagende Professor hat sich mit der Entscheidung der erstinstanzlichen Münsteraner nicht zufrieden gegeben und hat Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Diese ist dort unter dem Aktenzeichen VI R 12/22 anhängig.

Ebenso betroffene Arbeitnehmer sollten sich daher auf das Musterverfahren beim Bundesfinanzhof beziehen und gegen die eigene Einkommensteuerfestsetzung und die Besteuerung des Preisgeldes Einspruch einlegen. Aufgrund der dann zu gewährenden Verfahrensruhe kann abgewartet werden, bis die obersten Richter des Bundesfinanzhofs die Streitfrage klären.

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7. Für Immobilienbesitzer: Kann auch ein Gartenhaus steuerfrei im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäftes verkauft werden?

Mit Entscheidung vom 26.10.2021 hat der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen IX R 5/21 eine erfreuliche Entscheidung getroffen. Danach gilt: Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem Gartenhaus bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig (also unerlaubterweise) dauerhaft bewohnt.

Ausweislich der Vorschrift in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte solche bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (erste Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (zweiter Alternative).

Das Merkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt dabei unter anderem voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist. Hingegen erfordert die Steuerfreistellung nicht, wie es noch die Vorinstanz angenommen hat, dass das genutzte Wirtschaftsgut auch rechtlich dazu bestimmt und geeignet sein muss, Menschen auf Dauer Unterkunft und Aufenthalt zu ermöglichen. Insoweit ist die Vorinstanz von falschen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und ihre Entscheidung kann keinen Bestand haben, wie die obersten Richter deutlich darlegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt das Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in beiden Befreiungsalternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch tatsächlich bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen. Unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 18.1.2006 unter dem Aktenzeichen IX R 18/03 herausgearbeitet hat. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.

Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Denn eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus, noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind folglich auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine oder mehrere weitere Wohnungen hat und wie oft er sich darin aufhält.

In den bisherigen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zu den Befreiungsvorschriften ist das Merkmal der „dauerhaften Eignung zum Bewohnen“ rein tatsächlich verstanden worden. Ob auch Objekte, die baurechtlich nicht dauerhaft bewohnt werden dürfen, unter die Steuerbefreiungsvorschriften fallen, hat der Bundesfinanzhof bislang noch nicht entschieden. Die in der Rechtsprechung behandelten Fallkonstellationen betrafen stets rechtlich zulässige Nutzungen, bei denen allein die tatsächliche Wohnungsnutzung infrage stand. Insofern besteht ein Unterschied zur höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus nach der damaligen Vorschrift des § 10e EStG. Dort hatte der Bundesfinanzhof die Förderfähigkeit verneint, wenn eine Ferien- oder Wochenendwohnung rechtlich oder tatsächlich nicht zum dauernden Bewohnen geeignet war. So die damalige Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.3.1990 unter dem Aktenzeichen X R 160/88.

Dennoch kann nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik auch eine baurechtswidrige Nutzung eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ im Sinne der Steuerbefreiungsvorschriften zum privaten Veräußerungsgeschäft sein.

Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegungen aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung) aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.

Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 EStG ist nicht eindeutig. Unter einer Nutzung des Wirtschaftsguts „zu eigenen Wohnzwecken“ kann sowohl eine baurechtskonforme als auch eine baurechtswidrige Wohnungsnutzung verstanden werden. Zumindest wird die baurechtswidrige Wohnungsnutzung nicht von der Steuerfreistellung ausgenommen.

Zudem sprechen Sinn und Zweck der Regelung dafür, dass auch die baurechtswidrige Wohnungsnutzung dem Anwendungsbereich der Norm sehr wohl unterfällt.

Die Regelung ist mit der Verlängerung der Veräußerungsfrist von zwei auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/ 2002 in das Gesetz eingefügt worden. Die Norm dient der Verhinderung einer ungerechtfertigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes, zum Beispiel wegen eines Arbeitsplatzwechsels. Gewinne aus der Veräußerung von selbstgenutztem Wohneigentum sollen bei Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen keine Besteuerung auslösen.

Dieser Gesetzeszweck ist bei baurechtswidriger Nutzung von Wohneigentum ebenso erfüllt wie bei einer mit dem formellen und materiellen Baurecht übereinstimmenden Nutzung. Für die Realisierung der Freistellung ist die baurechtliche Situation ohne Relevanz. Muss das selbstgenutzte Wohneigentum wegen einer Wohnsitzaufgabe, etwa aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels, veräußert werden, soll kein Veräußerungsgewinn besteuert werden. Der normative Lenkungs- und Förderungszweck der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 EStG geregelten Nichtsteuerbarkeit von zu Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgütern steht daher einer Auslegung im Sinne der Vorinstanz entgegen, wie die obersten Richter klarstellen.

Die Freistellung bewirkt eine Rückausnahme von der Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte, die ihrerseits eine Ausnahme von der im Dualismus der Einkunftsarten grundsätzlich verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter darstellt. Wenn danach das private Wohnen dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen ist, gilt dies auch für baurechtswidriges Wohnen. Die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnungsnutzung stellt sich in diesem Zusammenhang als vollkommen unerheblich und unbedeutend dar.

Dieser Einordnung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Immobilie nach der Rechtsprechung zum Bewohnen dauerhaft geeignet sein muss. Zwar besteht im Fall fortdauernder baurechtswidriger Wohnnutzung die latente Gefahr des jederzeitigen Einschreitens der Bauaufsichtsbehörde zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes. Aber auch dies ist ein rechtlicher Aspekt, welcher der dauerhaften Eignung nicht entgegensteht. Entscheidend ist, ob das Objekt tatsächlich dazu geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Dies betrifft vor allem die Beschaffenheit des Gebäudes, insbesondere seine Ausstattung und Einrichtung, nicht aber die rechtlichen Gegebenheiten.

Da die obersten Finanzrichter im Weiteren keine systematischen oder historischen Erwägungen erkennen können, die diese Auslegung infrage stellen könnten, kommen sie zu dem Schluss, dass auch eine rechtswidrige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dazu führt, dass bei der Veräußerung innerhalb von zehn Jahren die Steuerbefreiungsvorschriften in Anspruch genommen werden können.

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8. Für kindergeldberechtigte Eltern: Ermittlung des Lebensbedarfs eines behinderten Kindes

Das Kindergeld wird unter anderem für ein Kind gewährt, welches wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Tatsächlich ist jedoch das Tatbestandsmerkmal „außerstande ist, sich selbst zu unterhalten“ im Gesetz nicht näher erklärt. Ausweislich der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. So beispielsweise zu entnehmen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 15.10.1999 unter dem Aktenzeichen VI R 183/97 sowie einem anderen Urteil vom 5.2.2015 unter dem Aktenzeichen III R 31/13.

Im Ergebnis kommt es also darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln selbst decken kann. Vor diesem Hintergrund hat ganz aktuell das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 14.4.2022 unter dem Aktenzeichen 1 K 2137/21 entschieden, dass bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nur der steuerpflichtige Ertragsanteil einer privaten Rente zu berücksichtigen ist.

Die beklagte Familienkasse hatte in dem vorliegenden Streitfall für den Streitzeitraum Dezember 2019 bis Juli 2021 Kindergeld festgesetzt. Später hob sie diese Festsetzung mit Bescheiden von März 2021 wieder auf. Der Vater des Kindes machte dagegen geltend, dass es keine Änderungsnorm gibt. Die Verhältnisse hätten sich schlicht nicht geändert. Außerdem hat die Familienkasse die Einkünfte und Bezüge des Kindes fehlerhaft berechnet. Dessen Erbschaft von der Mutter sei zweckgebunden gewesen und zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung verwendet worden.

Dies bestätigte das Finanzgericht in der vorliegenden Entscheidung. Änderungen in den einen Kindergeldanspruch begründenden Verhältnissen habe es vorliegend nicht gegeben. Die Familienkasse hatte bereits bei der Kindergeldfestsetzung Kenntnis von der privaten Vermögenssituation des Kindes gehabt. Der rückwirkende Aufhebungsbescheid wurde daher seitens der erstinstanzlichen Richter als rechtswidrig eingeordnet.

Weiter führten die erstinstanzlichen Richter aus, dass der klagende Vater sehr wohl kindergeldberechtigt ist. Sein Kind ist schließlich nicht imstande, sich selbst zu unterhalten. Vorliegend kamen die Richter zu dem Schluss, dass es bei der Prüfung auf die Einkünfte und Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes ankommt. Dementsprechend war vorliegend (neben anderen Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen. Die monatlichen Rentenzahlungen stellen, soweit sie den steuerpflichtigen Ertragsanteil übersteigen, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar.

Im Ergebnis deckten daher die nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten zur Verfügung stehenden Mittel des Kindes nicht dessen existenziellen Lebensbedarf. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheidet aufgrund der Behinderung aus. Dementsprechend war die Aufhebung und Rückforderung der Kindergeldfestsetzung rechtswidrig und das Kindergeld wird wieder gewährt.

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9. Für Unternehmer: Zur steuerlichen Anerkennung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts

Mit Entscheidung vom 23.11.2021 hat der BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 17/19 entschieden, dass ein zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinen minderjährigen Kindern zivilrechtlich wirksam geschlossenes, als stille Gesellschaft bezeichnetes Gesellschaftsverhältnis zur Entstehung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts führt. Eine stille Gesellschaft kann nicht gegeben sein, da es insoweit bei einem freien Beruf an einem Handelsgewerbe im Sinne des § 230 des Handelsgesetzbuches (HGB) fehlt. Die Innengesellschaft des bürgerlichen Rechts steht allerdings aus einkommensteuerlicher Betrachtungsweise einer stillen Gesellschaft gleich.

Eine solche Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen nahen Angehörigen kann steuerlich auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind, sprich geschenkt wurden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten, d.h. sie müssen insbesondere zivilrechtlich wirksam sein, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entsprechen und auch wie unter fremden Dritten vollzogen werden.

Bei der Prüfung der Frage, ob der geschlossene Vertrag wie zwischen fremden Dritten vollzogen wird, kommt insbesondere der Umsetzung bzw. dem Vollzug der Einlagebestimmungen, den Gewinnbeteiligungsregelungen und der Beachtung der Informations- und Kontrollrechte Bedeutung zu.

Im vorliegenden Streitfall hatte ein Vater, der beruflich als Zahnarzt tätig war, seinen Kindern entsprechende Beteiligungen, die er als stille Beteiligung bezeichnete, geschenkt und diese so am Gewinn und auch am Verlust beteiligt. Da die Vereinbarungen vorliegend fremdüblicher Natur waren, auch wenn sie schenkungsweise übertragen wurden, erkannte der Bundesfinanzhof den Abzug der Zahlung der Gewinnbeteiligung an die Kinder als Betriebsausgabe in der Zahnarztpraxis an. Dies gilt zumindest bis auf weiteres, da wegen anderer ungeklärter Punkte der Bundesfinanzhof die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen hat.

Hinweis:

Betroffenen oder zumindest Interessierten an einem solchen Sachverhalt ist daher die Lektüre der Urteilsbegründung zu empfehlen.

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