Mandantenbrief Oktober 2022

Steuertermine

10.10. Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer

Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.10. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.

Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen

31.10. Einkommensteuererklärung
Gewerbesteuererklärung
Umsatzsteuererklärung

In Bundesländern, in denen der 31.10. ein gesetzlicher Feiertag ist (Reformationstag), endet die Abgabefrist erst am 1.11.2022.

Das betrifft die Länder Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Alle Angaben ohne Gewähr

Vorschau auf die Steuertermine November 2022:

10.11. Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer

Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 14.11. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.

15.11. Gewerbesteuer
Grundsteuer

Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 18.11. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.

Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen

Alle Angaben ohne Gewähr

Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Oktober 2022

Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für Oktober ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 27.10.2022.

In Bundesländern, in denen der 31.10. (Reformationstag) ein Feiertag ist, verschiebt sich der Abgabe-/Zahlungstermin auf den 26.10.2022 (Mittwoch).

1. Für alle Steuerpflichtigen: Privates Veräußerungsgeschäft nach unentgeltlicher Übertragung - Die Gestaltung funktioniert!

Mit Urteil vom 23.4.2021 hat das oberste Finanzgericht der Republik, der Bundesfinanzhof im schönen München, erfreulicherweise klargestellt, dass ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten grundsätzlich nicht gegeben ist, wenn eine Immobilie nach der unentgeltlichen Übertragung veräußert wird. Die Entscheidung trägt das Aktenzeichen IX R 8/20.

Ganz konkret führt das Gericht aus: Hat der Steuerpflichtige die Veräußerung eines Grundstücks angebahnt, liegt ein Gestaltungsmissbrauch grundsätzlich nicht vor, auch wenn er das Grundstück unentgeltlich auf seine Kinder überträgt und diese das Grundstück an den Erwerber veräußern. Klipp und klar stellen die obersten Finanzrichter der Republik fest, dass in diesem Fall der Veräußerungsgewinn bei den Kindern nach deren steuerlichen Verhältnissen zu erfassen ist. Der Clou ist nun dabei, dass deren steuerliche Verhältnisse und insbesondere auch der persönliche Steuersatz durchaus günstiger sein können. Im Ergebnis wird damit also im Familienverbund deutlich Steuern gespart.

Zur Begründung führt der Bundesfinanzhof aus: Ein Gestaltungsmissbrauch, der zur Entstehung des Steueranspruchs aus der Veräußerung des Grundstücks beim Schenker führen könnte, ist nicht gegeben. Die unentgeltliche Übertragung der Immobilie an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Frist des privaten Veräußerungsgeschäftes veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und stellt daher ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch dar.

Entsprechend § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. So ausdrücklich in § 42 Abs. 1 Satz 2 AO festgehalten. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch bei Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Unterliegt ein Sachverhalt daher einer Regelung im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO (also einer einzelgesetzlichen Missbrauchsverhinderungsvorschrift), bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift. Daneben kommt die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 AO und die daran anknüpfende Rechtsfolge in § 42 Abs. 1 Satz 3 AO grundsätzlich nicht in Betracht! So auch bereits ganz ausdrücklich der Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 42 Nummer 1 AEAO.

Vorliegend handelt es sich bei der einzelgesetzlichen Vorschrift des § 23 Absatz 1 Satz 3 EStG um eine Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient und damit um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO. Entsprechend der einzelgesetzlichen Vorschrift ist für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke des privaten Veräußerungsgeschäftes die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsgutes des Privatvermögens durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Die Vorschrift regelt die Entstehung des Veräußerungsgewinns beim vorangegangenen unentgeltlichen Erwerb. Vom Rechtsvorgänger verwirklichte Besteuerungsmerkmale werden dem unentgeltlichen Rechtsnachfolger aufgrund der gesetzlichen Fiktion persönlich zugerechnet. Dies bewirkt, dass das private Veräußerungsgeschäft bei demjenigen besteuert wird, der die Veräußerung vorgenommen und den Veräußerungserlös tatsächlich erhalten hat.

Auch dem Sinn und Zweck nach dient die Vorschrift der Verhinderung von Gestaltungsmissbräuchen. So soll verhindert werden, dass ein steuerverstricktes Wirtschaftsgut durch unentgeltliche Übertragung mangels Veräußerung aus der Steuerverhaftung ausscheidet und beim Rechtsnachfolger mangels Anschaffung nicht mehr steuerverstrickt wird bzw. im Fall der Entnahme mangels Anschaffung nicht die Steuerverhaftung eintritt.

Nötig war die Vorschrift deshalb, weil die Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes in § 23 Abs. 1 EStG sowohl die Anschaffung als auch die Veräußerung des betroffenen Wirtschaftsguts voraussetzt. Anschaffung ist indes nur der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts. Die Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des zuvor angeschafften Wirtschaftsguts auf einen Dritten. Durch die unentgeltliche Übertragung auf einen Dritten könnte ohne die Regelung die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft umgangen werden, sodass ganz offensichtlich eine Missbrauchsvorschrift vorliegt. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nichts anderes, denn auch danach handelt es sich um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift.

Hinweis: Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Missbrauchsverhinderungsvorschrift es auch schlicht ermöglicht, dass Veräußerungserlöse bei Kindern mit deren geringerer Steuerbelastung besteuert werden. Im Einzelfall erwächst so aus einer Missbrauchsverhinderungsvorschrift ein Gestaltungsmodell!

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2. Für alle Steuerpflichtigen: Gesetzesverkündungen künftig (endlich) elektronisch

Das Bundeskabinett hat den vom Bundesminister der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Gesetzesverkündung und zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens beschlossen.

Der Gesetzentwurf sieht die Einführung der amtlichen elektronischen Veröffentlichung des Bundesgesetzblatts auf einer vom Bundesamt für Justiz betriebenen Internetplattform vor. Sie bietet gegenüber der papiergebundenen Ausgabe zahlreiche Vorteile: Sie beschleunigt den Ausgabeprozess, verbessert den Zugang zu den amtlichen Inhalten und spart auch noch öffentliche Ressourcen. Bislang muss die gedruckte amtliche Fassung entweder gegen Entgelt bezogen oder in Bibliotheken eingesehen werden. Bei dem schon heute auf der Internetseite www.bgbl.de verfügbaren Bundesgesetzblatt handelt es sich lediglich um elektronische Kopien, nicht um die verbindliche amtliche Fassung. Zudem ist die Funktionalität im unentgeltlichen Bürgerzugang eingeschränkt. Demgegenüber wird das elektronisch ausgegebene Bundesgesetzblatt unentgeltlich und barrierefrei zur Verfügung gestellt und kann ohne Einschränkung gespeichert, ausgedruckt und verwertet werden.

Das elektronische Bundesgesetzblatt ist ab dem 1. Januar 2023 das alleinige Verkündungsorgan für Gesetze und Rechtsverordnungen. In bestimmten Fällen können Rechtsverordnungen bislang nicht nur im Bundesgesetzblatt, sondern auch im amtlichen Teil des Bundesanzeigers oder im sogenannten Verkehrsblatt verkündet werden. Grund dafür ist zum einen, dass die Rechtsverordnungen häufig nur einen sehr kleinen Adressatenkreis haben, zum anderen sind diese teilweise sehr umfangreich. Zudem erscheint der – bereits seit 2012 ausschließlich elektronisch veröffentlichte – Bundesanzeiger wesentlich häufiger als das Bundesgesetzblatt, was in Eilfällen eine raschere Verkündung ermöglicht. Mit der Einführung des elektronischen Bundesgesetzblattes entfällt das praktische Bedürfnis für die Verkündung von Rechtsverordnungen im elektronischen Bundesanzeiger.

Der Verlässlichkeit von Authentizität und Integrität wird durch hohe technische Sicherheitsvorkehrungen Rechnung getragen. Es ist insbesondere vorgesehen, dass jede Nummer des Bundesgesetzblattes mit einem qualifizierten elektronischen Siegel versehen sein muss, um die Echtheit und Unverfälschtheit jederzeit überprüfen zu können.

Die elektronische Ausgabe des Bundesgesetzblattes im Internet setzt eine Änderung des Artikels 82 Absatz 1 Grundgesetz durch Ergänzung eines Gesetzesvorbehalts zur Ausgestaltung der Gesetzesverkündung voraus. Ein Entwurf für eine entsprechende Grundgesetzänderung wird parallel unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat eingebracht.

Der vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten.

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3. Für alle Steuerpflichtigen: Steuerermäßigung für Handwerkerleistung nur bei Eigentum oder Verpflichtung zur Verausgabung der Aufwendungen?

Bereits mit Urteil vom 16.12.2020 hat das Sächsische Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 2 K 157/20 entschieden, dass eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen bei Nutzung einer Wohnung in einer Immobilie eines Angehörigen und vom Steuerpflichtigen getragener Kosten für die Sanierung des Daches der ihm nicht gehörenden Immobilie nicht in Betracht kommt.

Konkret fasste das erstinstanzliche Gericht seinen Leitsatz wie folgt zusammen: Lebt der Steuerpflichtige in einer Wohnung im Dachgeschoss des Hauses einer Angehörigen und zahlt er dieser – ohne Abschluss eines förmlichen Mietvertrags – ein in den Überweisungen als Miete bezeichnetes Entgelt, so kann er für die von ihm ebenfalls bezahlten Aufwendungen für eine Dachsanierung nicht die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Sinne des § 35a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch nehmen. Das gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Wohnungsüberlassung durch die Angehörige im Rahmen eines Mietverhältnisses oder unentgeltlich erfolgt ist.

Da diese Entscheidung für zahlreiche Steuerpflichtige von enormer Bedeutung sein könnte, wird im Folgenden der Hintergrund etwas näher beleuchtet. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 %. In absoluten Zahlen ist diese Steuerermäßigung allerdings auf 1.200 Euro pro Veranlagungszeitraum begrenzt.

Ausweislich der gesetzlichen Norm gilt die Ermäßigung dabei nur für Arbeitskosten. Kosten für Material können hingegen nicht steuerermäßigend wirken. Erfreulich einfach ist jedoch die Definition der Handwerkerleistung. Darunter fallen nämlich einfache Handwerkerleistungen ebenso wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 6.5.2010 unter dem Aktenzeichen VI R 4/09. Begünstigt werden zudem handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden. Auch dies hat der Bundesfinanzhof bereits in seiner Entscheidung vom 20.3.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 56/12 herausgearbeitet.

Die Handwerkerleistung muss ferner in einem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Dieser Haushalt muss sich in der Europäischen Union oder dem europäischen Wirtschaftsraum befinden. Den Begriff des „Haushalts“ legt der Bundesfinanzhof dabei räumlich-funktional aus, wie seiner Entscheidung vom 3.9.2015 unter dem Aktenzeichen VI R 18/14 zu entnehmen ist. Deshalb werden die Grenzen des Haushaltes im Sinne dieser Vorschrift nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Boden erbracht werden, begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. So die vom Bundesfinanzhof definierten Voraussetzungen in der Entscheidung vom 21.2.2018 unter dem Aktenzeichen VI R 18/16. Formell verlangt die gesetzliche Regelung weiter, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung nachweist.

Im vorliegenden Streitfall hatte der Kläger in einer Wohnung im Haus seiner Mutter gewohnt und dort einen Haushalt innegehabt. Er war dort gemeldet und hat seiner Mutter ein Entgelt bezahlt, welches er in den Überweisungen als Miete bezeichnete. Das Dach der Immobilie bildete mit der vom Kläger bewohnten Wohnung im Dachgeschoss einen räumlich-funktionalen Zusammenhang. So auch das erstinstanzliche sächsische Finanzgericht. Dennoch sind die erstinstanzlichen Richter nicht überzeugt, dass der Kläger die Aufwendungen, die er geltend macht, auch tatsächlich hatte. Dies beruht zunächst darauf, dass die Aufwendungen dem ganzen Haus zugutekommen und er als Mieter nicht verpflichtet war, diese Aufwendungen zu leisten. Zudem hatte er nicht das ganze Haus als seinen Haushalt bewohnt, sondern nur einen Teil. Wenn er nicht in einem Mietverhältnis dort gewohnt hat (wie er es selbst vorträgt), sondern unentgeltlich, bestand erst recht keine Verpflichtung für eine Sanierung des Daches. Dies hat der Kläger nach Meinung des erkennenden Senats offenbar für seine Mutter getan, ihr also schenkungsweise etwas zugewendet.

Vorliegend muss sich jedoch auch noch der Bundesfinanzhof mit diesem Fall beschäftigen. Ganz konkret geht es dabei um folgende Rechtsfragen: Zum einen muss geklärt werden, ob eine Verpflichtung zur Betätigung von Aufwendungen überhaupt Voraussetzung für die Steuerermäßigung von Handwerkerleistungen Sinne des § 35a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist.

Darüber hinaus geht es auch um die Frage, ob die gesetzliche Regelung der Steuerermäßigung für den Abzug von Handwerkerleistungen überhaupt fordert, dass die Leistungen zugunsten eines Wirtschaftsguts erbracht werden, das im (zumindest wirtschaftlichen) Eigentum des Steuerpflichtigen steht oder an dem der Steuerpflichtige ein (obligatorisches) Nutzungsrecht innehat.

Hinweis: Das Verfahren beim Bundesfinanzhof wird unter dem Aktenzeichen VI R 23/21 geführt. Betroffene Steuerpflichtige mit einem ähnlichen Problem sollten sich an das Musterverfahren anhängen.

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4. Für alle Steuerpflichtigen: Keine verlängerte Festsetzungsfrist bei Kenntnis der Steuerdaten seitens der Finanzbehörde

Eine Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn deren Festsetzungsfrist abgelaufen ist. So geregelt in § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO).

Für die Einkommensteuer beträgt die Festsetzungsfrist regelmäßig vier Jahre. Soweit eine Steuer hinterzogen wird, verlängert sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre. Wird eine Steuer leichtfertig verkürzt, gilt immer noch eine Festsetzungsfrist von fünf Jahren. Mit Blick auf den Beginn der Festsetzungsfrist ist dieser grundsätzlich gegeben, wenn das Kalenderjahr, in dem die Steuer entstanden ist, abgelaufen ist. Von diesem Grundsatz abweichend beginnt die Festsetzungsfrist jedoch, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Dies ergibt sich aus § 170 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 AO.

Im vorliegenden Streitfall vor dem Finanzgericht Münster begann die Festsetzungsfrist für 2009 am 31.12.2012 und für 2010 am 31.12.2013. Dies war zwischen den Parteien unstrittig. Die Kläger hatten tatsächlich und ebenso unstrittig pflichtwidrig keine Einkommensteuererklärung für diese Kalenderjahre eingereicht. In beiden Streitjahren beträgt jedoch die Festsetzungsfrist vier Jahre, wie das erkennende Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung vom 25.6.2022 unter dem Aktenzeichen 4 K 135/19 G dargelegt hat. Ausgehend von diesen vier Jahren läuft die Festsetzungsfrist für 2009 am 31. 12.2016 und für 2010 am 31.12.2017 ab. Nach diesen Zeitpunkten können Steuerfestsetzungen nicht mehr durchgeführt werden. Einzige Ausnahme: Es kommt zu einer verlängerten Festsetzungsfrist aufgrund einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder einer Steuerhinterziehung.

Im vorliegend abgeurteilten Fall hat das Finanzgericht Münster jedoch für keins der beiden Jahre eine auf zehn oder fünf Jahre verlängerte Festsetzungsfrist gesehen. Mit anderen Worten: Es liegt in keinem der Jahre eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vor.

Dazu führt das Gericht wie folgt aus: Ob eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, bestimmt sich auch bei Prüfung der Festsetzungsverjährung nach den Regelungen in §§ 370 und 378 AO. Hinterzogen sind die Beträge, für die der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung bzw. der objektive und der subjektive Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt ist. Dies hat tatsächlich einmal der Bundesfinanzhof in einer Grundsatzentscheidung vom 2.4.2014 unter dem Aktenzeichen VIII R 38/13 herausgearbeitet.

Im konkreten Streitfall könnte eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung allenfalls deshalb in Betracht kommen, weil es pflichtwidrig unterlassen wurde die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Kenntnis zu setzen. Der objektive Tatbestand der hier allein in Betracht kommenden Unterlassungsvariante setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

Im Streitfall haben die Kläger jedoch die für ihre Einkommensteuerveranlagung zuständige Finanzbehörde nicht über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen. Dem Finanzamt waren nämlich die für die Einkommensteuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umstände bekannt. Insbesondere war bei dem Finanzamt aufgrund der für die Kläger vorliegenden elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen bekannt, dass diese in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen und beim Lohnsteuerabzug die Lohnsteuerklasse III bzw. V berücksichtigt wurde. Diese elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen waren mit der gemeinsamen Steuernummer der verheirateten Kläger konkret verknüpft und ihnen tatsächlich zugeordnet worden. Sie waren in einer Übersicht über elektronische Bescheinigungen auch problemlos abrufbar.

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes liegt nicht bereits deshalb eine vollendete Steuerhinterziehung durch Steuerpflichtige vor, weil sie es nach dem Wechsel von der Antrags- zur Pflichtveranlagung unterlassen haben, Einkommensteuererklärungen einzureichen. Definitiv waren sie hierzu entsprechend der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet. Allerdings reicht allein eine Verletzung von Erklärungspflichten nicht aus, um den Unterlassungstatbestand der Steuerhinterziehung zu verwirklichen.

Nach der ausdrücklichen Überzeugung des hier erkennenden Senats des Finanzgerichts Münster scheidet eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen in den Fällen aus, in denen die Finanzbehörde zum maßgeblichen Veranlagungszeitpunkt von den für die Steuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umständen bereits Kenntnis hat.

Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 370 Abs. 1 Nummer 2 AO setzt ein In-Unkenntnis-lassen der Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen ausdrücklich voraus. Nach dem Verständnis des Senats kann ein Steuerpflichtiger eine Finanzbehörde nicht „in Unkenntnis lassen“, wenn sie tatsächlich bereits über alle wesentlichen für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Umstände informiert ist. Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht diesem Wortlaut bei der Auslegung nicht entgegen, sondern stützt ihn ja noch. Schließlich soll die Regelung das Rechtsgut schützen, wonach ein öffentliches Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen der von dieser Norm erfassten Steuer besteht. Eine Gefährdung für dieses Rechtsgut besteht hingegen nicht, wenn die Finanzbehörde tatsächlich über die für die Besteuerung wesentlichen Umstände informiert ist.

Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen in den Fällen ausscheidet, in denen die Finanzbehörden zum maßgeblichen Veranlagungszeitpunkt von den für die Besteuerung wesentlichen tatsächlichen Umständen bereits Kenntnis haben oder die Finanzbehörden bereits dann in Unkenntnis gelassen werden, wenn Steuererklärungen pflichtwidrig nicht abgegeben werden, liegt nicht vor.

Auch das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf teilt in seiner Entscheidung vom 26.5.2021 unter dem Aktenzeichen 5 K 143/20 diese Rechtslage. Danach setzt der objektive Tatbestand einer durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen begangenen Steuerhinterziehung durch Unterlassen voraus, dass der zuständige Bearbeiter der Finanzbehörde im Zeitpunkt des Abschlusses der regelmäßigen Veranlagungsarbeiten für den maßgeblichen Zeitraum von den wesentlichen steuerlich relevanten Umständen keine Kenntnis hat. Dieses Tatbestandsmerkmal der Unkenntnis der Finanzbehörde liegt auch nach Auffassung der Düsseldorfer Richter nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger, der durch die laufende Vermietung von mehr als 100 Garagen- und Außenstellplätzen unternehmerisch tätig ist, pflichtwidrig keine Umsatzsteuererklärungen abgibt, zugleich aber in den maßgeblichen Veranlagungszeiträumen den umsatzsteuerlich erheblichen Sachverhalt durch die Abgabe von ertragsteuerlichen Feststellungserklärungen gegenüber der Finanzbehörde vollständig und zeitgerecht deklariert hat.

Insoweit folgen die beiden erstinstanzlichen Gerichte ausdrücklich nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung, nach der ein In-Unkenntnis-lassen bereits dann vorliegt, wenn ein Erklärungspflichtiger pflichtwidrig die steuerlich erheblichen Tatsachen nicht mitteilt.

Hinweis: In der Literatur wird häufig die Meinung vertreten, dass die Auffassung der hier zitierten erstinstanzlichen Finanzgerichte dann seine Grenzen findet, wenn neben den elektronisch übermittelten Einnahmen noch weitere Einnahmen zu erklären gewesen wären oder die elektronisch übermittelten Einnahmen nur verfügbar und nicht konkret verknüpft oder tatsächlich zugeordnet sind.

Ob diese Grenze tatsächlich gezogen wird, lässt das hier erkennende erstinstanzliche Finanzgericht Münster dahinstehen, da vorliegend die Kläger keine weiteren Einkünfte neben den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt hatten und auch sonst die mit den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen an die Finanzverwaltung übermittelten Daten konkret mit der gemeinsamen Steuernummer der Steuerpflichtigen verknüpft und dieser tatsächlich zugeordnet waren.

Besonders erfreulich ist in diesem Zusammenhang noch die Tatsache, dass der Senat nicht der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung folgt, dass eine vollendete Steuerhinterziehung bereits deshalb anzunehmen ist, weil die Steuerpflichtigen es durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen unterlassen haben, einen mit einer Veranlagung einhergehenden Bearbeitung- und Überprüfungsvorgang anzustoßen.

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5. Für Unternehmer: Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung des Pkw für den Investitionsabzugsbetrag

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 7g Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen. Man spricht bei dieser Möglichkeit von den sogenannten Investitionsabzugsbeträgen.

Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung ist dieser Investitionsabzugsbetrag gewinnerhöhend hinzuzurechnen. Soweit er nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres hinzugerechnet wird, ist der Abzug rückgängig zu machen. Erfolgt eine Anschaffung oder Herstellung innerhalb der Dreijahresfrist, ist der Investitionsabzugsbetrag hingegen rückgängig zu machen, wenn das Wirtschaftsgut nicht bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden vier Jahren können neben den Absetzungen für Abnutzung Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Dies setzt allerdings ebenfalls voraus, dass das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauffolgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Sowohl bei der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags als auch bei der sogenannten Sonderabschreibung ist eine betriebliche Nutzung von mindestens 90 % erforderlich. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 19.3.2014 unter dem Aktenzeichen X R 46/11 klargestellt. Definiert wurde die 90 % Grenze hingegen in einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.11.2013.

Fraglich war nun in dem vorliegenden Streitfall beim Bundesfinanzhof, wie die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung bei einem Pkw nachgewiesen wird. Der Bundesfinanzhof hat insoweit in seiner Entscheidung vom 16.3.2022 unter dem Aktenzeichen VIII R 24/19 klargestellt, dass Steuerpflichtige die von ihnen behauptete fast ausschließlich betriebliche Nutzung eines entsprechenden Pkw nicht durch Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs nachweisen müssen.

Insoweit führt das oberste Finanzgericht der Republik aus: Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuches ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Der Bundesfinanzhof hat jedoch aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung geschlossen, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist und dass es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergibt. So hat es seinerzeit der Bundesfinanzhof in der grundlegenden Entscheidung vom 9.11.2005 unter dem Aktenzeichen VI R 27/05 dargelegt.

Bloße Aufstellungen, aus denen der Anteil der betrieblichen und privaten Fahrten zu entnehmen sind, reichen nicht aus, um den für die Besteuerung maßgeblichen Privatanteil eines PKWs zu ermitteln. Dies gilt auch dann schon, wenn die Aufzeichnungen nicht zeitnah geführt werden.

Wohl gemerkt gelten solche hoch angesiedelten Grundsätze jedoch nur für die Besteuerung des Privatanteils. Vorliegend ging es um die Frage, wie die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines PKWs nachgewiesen werden kann. Hierbei gelten deutlich geringere Voraussetzungen. In Anschluss an seine Entscheidung vom 15.7.2020 unter dem Aktenzeichen III R 62/19 stellt der Bundesfinanzhof daher in dem aktuellen Urteil vom 16.3.2022 klar, dass ein Steuerpflichtiger die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung eines Pkw, für den er einen Investitionsabzugsbetrag und eine Sonderabschreibung in Anspruch genommen hat, nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweisen kann. Vielmehr ist das Finanzamt gezwungen, auch andere Beweismittel anzuerkennen.

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6. Für GmbH-Gesellschafter: Offenbare Unrichtigkeit bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Wertes einer Kapitalrücklage

Mit erstinstanzlicher Entscheidung des Finanzgerichtes München vom 17.9.2018 hat dieses unter dem Aktenzeichen 7 K 2805/17 die Meinung vertreten, dass eine Unrichtigkeit nur dann durch ein mechanisches Versehen entstanden und damit überhaupt erst im Sinne der Vorschrift zu den offenbaren Unrichtigkeiten nach § 129 der Abgabenordnung (AO) offenbar ist, wenn ein Fehler auf der Hand liegt, also durchschaubar, eindeutig oder sogar augenfällig ist.

Ganz konkret hat das Finanzgericht München in der vorgenannten Entscheidung die Meinung vertreten, dass es an diesen Voraussetzungen fehlt, wenn eine Einzahlung in die Kapitalrücklage nicht in der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos eingetragen wurde, jedoch aus dem eingereichten Jahresabschluss nebst Erläuterungen eine Einzahlung in die Kapitalrücklage ersichtlich ist. Im Ergebnis haben die erstinstanzlichen Richter im vorliegenden Fall deshalb keine offenbare Unrichtigkeit erkannt, weil die Einzahlung teilweise in einer fremden Währung (vorliegend in Schweizer Franken) vorgenommen wurde und daher lediglich ihr zutreffender Wert nicht ohne weiteres erkennbar war. Dennoch war immerhin erkennbar, dass überhaupt eine Einzahlung stattgefunden hat.

Vor diesem Hintergrund (also, weil die Einzahlung an sich problemlos erkennbar war) entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 8.12.2021 unter dem Aktenzeichen I R 47/18 daher auch gegen seine erstinstanzlichen Kollegen. Aufgrund der aktuellen Entscheidung gilt nun erfreulicherweise: Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zu tatsächlicher Höhe des Einlagekontos erforderlich sind, schließt allein eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne der Vorschrift des § 129 Satz 1 AO nicht aus. Es kommt also nicht darauf an, ob man das richtige Ergebnis kennt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Fehler erkannt werden kann.

Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Wertes in der Steuererklärung beruht, ist die Regelung der offenbaren Unrichtigkeiten bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist. Entsprechendes muss daher auch gelten, wenn nur die Angabe einer Endsumme mit null Euro erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist.

Die für Steuerpflichtige positive Auffassung der Richter des Bundesfinanzhofs wundert insgesamt nur wenig. Immerhin hat das Gericht bereits in einer Entscheidung vom 22.5.2019 unter dem Aktenzeichen XI R 9/18 klargestellt, dass ein Körperschaftsteuerbescheid offenbar unrichtig ist, wenn die Steuerpflichtige die Zeile 44a der Körperschaftssteuererklärung nicht ausgefüllt hat, obwohl sich aus den dem Finanzamt vorliegenden Steuerbescheinigungen und den weiteren Anlagen zur Körperschaftssteuererklärung ergibt, dass die Steuerpflichtige eine Gewinnausschüttung einer GmbH erhalten hat und das Finanzamt in der Anrechnungsverfügung zum Körperschaftsteuerbescheid die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet hat. Auch wenn sich insoweit der Sachverhalt hinsichtlich des materiellen Steuerrechts unterscheidet, ist der Sachverhalt mit Blick auf die verfahrensrechtliche Änderung nach § 129 AO durchaus übertragbar.

In den Urteilsgründen zur aktuellen Entscheidung führt der Bundesfinanzhof dementsprechend die Grundsätze der Berichtigungsnorm des § 129 AO, also der offenbaren Unrichtigkeiten, wie folgt aus. Danach kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei einem berechtigten Interesse des Beteiligten ist sogar zu berichtigen.

Die Berichtigungsmöglichkeit setzt dabei grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 16.9.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 37/14 deutlich herausgearbeitet.

Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. So auch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 3.5.2017 unter dem Aktenzeichen X R 4/16 mit weiteren Nennungen in der Urteilsbegründung.

Offenbare Unrichtigkeiten sind folglich mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. Die Regelung ist insoweit nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Dagegen ist die Berichtigungsmöglichkeit nicht von einer Verschuldensfrage anhängig, wie bereits der Bundesfinanzhof in einem früheren Urteil vom 7.11.2013 unter dem Aktenzeichen IV R 13/11 herausgearbeitet hat.

Ob hingegen im Ergebnis ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung aufgrund offenbarer Unrichtigkeit ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterworfen ist. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 3.8.2016 unter dem Aktenzeichen X R 20/15.

Auf Basis dieser Grundsätze kommt der Bundesfinanzhof aktuell zu dem erfreulichen Schluss, dass das erstinstanzliche Finanzgericht die Anwendbarkeit der offenbaren Unrichtigkeit zu Unrecht abgelehnt hat. Selbst wenn für das Finanzamt nicht augenscheinlich erkennbar war, welcher korrekte Wert sich für das steuerliche Einlagenkonto ergibt, so war zumindest deutlich erkennbar, dass ein Wert gegeben sein muss und dieser auch nicht null Euro betragen konnte. Dementsprechend liegt in solchen Sachverhalten eine offenbare Unrichtigkeit auf der Hand. Der Fehler selbst ist nämlich offensichtlich.

Hinweis: Vorgenannte Entscheidung ist insoweit für die Praxis von erheblicher Bedeutung, da entsprechende Erklärungsfehler bei der Feststellung der Höhe des steuerlichen Einlagekontos in der Vergangenheit leider allzu häufig vorgekommen sind. Dabei war der Ablauf des Fehlers regelmäßig ähnlich, weil in der Erklärung entweder kein Wert beim steuerlichen Einlagekonto angegeben wurde oder aber dieser mit null Euro angegeben wurde. Tatsächlich konnte jedoch aus dem Jahresabschluss deutlich ersehen werden, dass sehr wohl eine Kapitalrücklage gegeben war. In solchen Fällen sollte dem Tenor der Entscheidung folgend auch jetzt noch versucht werden, die Höhe des steuerlichen Einlagekontos korrekt festzustellen.

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7. Für Unternehmer: Knockout-Zertifikate sind keine Termingeschäfte

Mit Entscheidung vom 8.12.2021 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 24/19 im Rahmen der Verlustberücksichtigung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden, dass sogenannte Knockout-Zertifikate keine Termingeschäfte im Sinne dieser Vorschrift sind. Um den Hintergrund der Entscheidung etwas genauer zu beleuchten, muss ein wenig ausgeholt werden:

Entsprechend der Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen die dort benannten Verluste weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Bei den dort benannten Verlusten handelt es sich um solche aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung. Diese Verluste dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Einzige Möglichkeit des Verlustabzugs: Sie mindern die Gewinne, die der Steuerpflichtige in den unmittelbar vorangegangenen und den folgenden Wirtschaftsjahren aus den genannten Einkunftsquellen erzielt hat.

Wer sich nun fragt, was das alles mit Knockout-Zertifikaten zu tun hat, dem sei gesagt, dass entsprechend der Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG bestimmt wird, dass die vorgenannten Regelungen auch entsprechend für Verluste aus Termingeschäften gelten, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Nicht unter diese Beschränkung fallen (vorbehaltlich der Rückausnahme des § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG) zwar gemäß § 15 Abs. 4 Satz 4 EStG Geschäfte bestimmter Finanzunternehmen und Risikoabsicherungsgeschäfte anderer Unternehmen, wenn damit Risiken des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs abgesichert werden.

Die Rechtsfolge des Verlustabzugsverbots bezieht sich dabei nicht auf ein negatives Ergebnis eines einzelnen Geschäfts. Vielmehr ist auf den Saldo sämtlicher Termingeschäfte im Wirtschaftsjahr abzustellen. Dabei hängt die Anwendbarkeit des Verlustverrechnungsverbotes maßgeblich davon ab, ob überhaupt ein Termingeschäft gegeben ist. Dies war auch im vorliegenden Fall streitbefangen.

Der Begriff des Termingeschäftes ist in der gesetzlichen Regelung nämlich nicht mehr definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Grundsatz nach den wertpapier- bzw. bankenrechtlichen Maßgaben zu bestimmen, wobei allerdings aufsichtsrechtliche Gesichtspunkte außer Betracht bleiben. Dies hat beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 4.12.2014 unter dem Aktenzeichen IV R 53/11 herausgearbeitet.

Entsprechend diesen Vorgaben sind Termingeschäfte Verträge über Wertpapiere, vertretbare Waren oder Devisen nach gleichartigen Bedingungen, die von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen sind. Es muss also zunächst einmal ein zeitliches Auseinanderfallen von Verpflichtungsgeschäft und Erfüllungsgeschäft geben. Zudem muss eine Beziehung zu einem Terminmarkt bestehen, die es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen.

Nach wertpapierrechtlichen bzw. bankenrechtlichen Maßgaben ist das Termingeschäft ferner vom sogenannten Kassageschäft abzugrenzen, bei dem der Leistungsaustausch sofort oder innerhalb der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei Tagen zu vollziehen ist. Diese negative Abgrenzung zum Termingeschäft ist auch bei der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung maßgeblich. Bestätigt wird diese Auslegung im Wesentlichen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission. Durch dieses Gesetz wurde nämlich als Legaldefinition das Termingeschäfte definiert als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltetes Festgeschäft oder Optionsgeschäft, das zeitlich verzögert zu erfüllen ist und dessen Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet. Diese Definition ist grundsätzlich auch für das Steuerrecht maßgeblich.

Dagegen kommt es für die steuerliche Abgrenzung des Termingeschäftes nicht auf die umfassendere Definition der Finanztermingeschäfte im Wertpapierhandelsgesetz an. Hierbei handelt es sich nämlich um eine andere Begriffsebene, die dem Anlegerschutz dient.

Mit Blick auf sogenannte Indexzertifikate ist zudem bereits höchstrichterlich geklärt, dass sie als Kassageschäft nicht den Termingeschäften zuzuordnen sind. Für Knockout-Produkte hat der Bundesfinanzhof die Frage dagegen insbesondere bei der Einordnung von Einkünften aus Kapitalvermögen bisher offengelassen.

Dementsprechend kommen vorstehend die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 8.12.2021 zu dem Schluss, dass sogenannte Knockout-Produkte in Form von Zertifikaten Kassageschäft sind und damit nicht zu den Termingeschäften im Sinne der hier vorliegenden Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG gehören. Dies ergibt sich nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik bereits aus der Gesetzeshistorie.

Darüber hinaus weist der Bundesfinanzhof ganz ausdrücklich darauf hin, dass das Ausmaß der spezifischen Gefährlichkeit eines konkreten Geschäftes weder für die Qualifizierung als Termingeschäft noch als Kassageschäft eine Rolle spielt. Auch die Legaldefinition im Wertpapierhandelsgesetz stellt nicht auf bestehende Verlustrisiken ab. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung ist daher nicht entscheidungserheblich, ob es sich um ein sogenanntes Hebelprodukt, zum Beispiel ein Hebel-, Knockout- oder Turbo-Zertifikat, handelt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn aufgrund der konkreten Vertragsbedingungen ein sogenanntes Schein-Kassageschäft (und damit eben doch ein Termingeschäft) bzw. ein wirtschaftliches Termingeschäft vorliegt, weil unter anderem eine Nachschusspflicht und damit ein unbegrenztes Verlustrisiko besteht.

Entgegen der Ansicht des Finanzamtes kann der Qualifizierung von Knockout-Zertifikaten als Kassageschäft nicht entgegengehalten werden, dass die Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Knockout-Schwelle nicht erreicht wird und somit von einer hinausgeschobenen Erfüllung gesprochen werden könne. Zudem können Knockout-Zertifikate nicht deswegen als Termingeschäfte qualifiziert werden, weil der Anleger bei diesen Produkten lediglich eine Chance auf Rückzahlung, aber keinen sicheren Anspruch hat. Hierbei wird jeweils übersehen, dass bei Knockout-Zertifikaten der Fortbestand der verbrieften Forderungen von einer Bedingung abhängt, nicht aber die Laufzeit des Erfüllungsgeschäfts. Es fehlt an dem für ein Termingeschäft erforderlichen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt, sodass weiter ein Kassageschäft vorliegt. Damit handelt es sich bei Knockout-Zertifikaten um gewöhnliche Schuldverschreibungen, bei denen der Erfüllungszeitpunkt gerade nicht hinausgeschoben wird.

Soweit das erstinstanzliche Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 26.10.2016 unter dem Aktenzeichen 7 K 3387/13 für die Qualifizierung von Knockout-Zertifikaten als Termingeschäfte auf deren Hebelwirkung und die Gefahr eines Totalverlustes abstellt, bleibt das Vorliegen eines Kassageschäftes ungeprüft. Selbst nach der vom erstinstanzlichen Finanzgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt dieser zudem darauf ab, dass es sich bei Börsentermingeschäften um standardisierte Verträge handelt, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zu einem Terminmarkt haben. Folglich handelt es sich dabei eben nicht um ein Kassageschäft.

Auch der Umstand, dass aufgrund der Zertifikatsbedingungen selbst bei gleichbleibenden Kursen das Kapital vernichtet wird, ist entgegen der Auffassung des Finanzamtes für eine Einordnung als Termingeschäft nicht maßgeblich.

Folglich kommen die obersten Finanzrichter der Republik mit ihrer zuvor genannten Entscheidung vom 8.12.2021 zu dem erfreulichen Schluss, dass Knockout-Produkte in Form von Zertifikaten, vorliegend ging es um Unlimited Turbo Bull Zertifikate, als Kassageschäft nicht dem Ausgleichs- bzw. Abzugsverbot der Verluste des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG unterfallen.

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8. Für Gesellschafter: Gestaltungsmissbräuchliche Tilgung von Gesellschafterdarlehen aus Einlagen

Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dieser im Einzelsteuergesetz vorhandenen Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Gemäß Abs. 2 des § 42 AO liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Es sei denn, dass für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden können, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Vor diesem Hintergrund ist jedoch herauszustellen, dass dabei nicht bereits das Motiv, eine Steuerersparnis zu erzielen, dazu führt, dass eine steuerliche Gestaltung unangemessen ist. Die Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg gewählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. So hatte es seinerzeit der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 17.12.2010 unter dem Aktenzeichen IX R 40/09 definiert.

Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist der einfachste rechtliche Weg regelmäßig der Angemessene. Wohingegen unangemessene Rechtsgestaltungen umständlich, kompliziert, schwerfällig oder auch gekünstelt sind. Auch dies hat der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 19.8.1999 unter dem Aktenzeichen I R 77/96 einmal herausgearbeitet.

Hat eine Gestaltung überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck, kann sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Dies kann dann gegeben sein, wenn durch mehrere sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisierende Geschäfte lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn mit den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Gestaltung die Wirkung einer gegenläufigen Gestaltung kompensiert werden sollen und sich der zur Kompensation gewählte Gestaltungsweg deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist. Eine Gestaltung ist daher dann unangemessen, wenn sie nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll.

Auf Basis dieser Definition vom Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten kommt das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 22.12.2021 unter dem Aktenzeichen 7 K 101/18 K, G, F zu dem Schluss, dass die lediglich buchhalterisch vollzogene Einlage in die Kapitalrücklage einer Kapitalgesellschaft zu dem Zweck der anschließenden Tilgung eines Darlehens der Alleingesellschafterin einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellt. Die Folge der Entscheidung aus Düsseldorf: Im Ergebnis liegt im Umfang des werthaltigen Anteils ein gewinnerhöhender Forderungsverzicht vor.

Die gesellschaftsrechtliche Anerkennung der Rückzahlung von Einlagen und Gesellschafternachschüssen in den in § 19 Abs. 5 und § 30 Abs. 2 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) geregelten Fällen rechtfertigt hingegen noch nicht die steuerrechtliche Anerkennung jedweder Sachverhalte, in denen Geldmittel zwischen Gesellschaft und Gesellschafter hin- und her gezahlt werden.

Mit Einfügung von § 19 Abs. 5 GmbHG hat der Gesetzgeber insbesondere nur die bis dahin eintretenden Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen bei vorabbesprochenen „Hin- und Herzahlungen“ zwischen Gesellschafter und Gesellschaft beschränken und ein ökonomisch sinnvolles „Hin- und Herzahlen“ im Rahmen eines Cash Pooling ermöglichen wollen, weil dies aus Gläubigersicht unbedenklich erscheint. Mit der gesellschaftsrechtlichen Anerkennung von Geldflüssen in diesen Sachverhalten hat der Gesetzgeber also gerade nur einen als regelungswürdig erachteten Sonderfall des „Hin- und Herzahlens“ als zulässig erfassen wollen. Hinzu kommt, dass in Fällen von § 19 Abs. 5 GmbHG durch die tatbestandliche Voraussetzung eines vollwertigen Rückgewähranspruchs gerade gesichert wird, dass die Einlageleistung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach bei der Gesellschaft verbleibt. So lag es im Streitfall gerade nicht, weil die eingelegten Mittel unmittelbar nach der Einlageleistung an die Alleingesellschafterin der Klägerin zurückgebucht wurden und wie von Anfang an beabsichtigt nicht bei der Klägerin verbleiben sollten.

Auch § 26 GmbHG eignet sich weder zur generellen Rechtfertigung von „Hin- und Herzahlungen“ zwischen Gesellschaft und Gesellschafter noch zur steuerlichen Anerkennung der Vorgehensweise im Streitfall. Dabei ist zwar anzuerkennen, dass Gesellschafter nachschusspflichtig sein oder auch freiwillig Nachschüsse leisten können. Indes ist auch die Rückzahlung von den als Nachschuss bezeichneten Gesellschafterbeiträgen im Anwendungsbereich von § 26 GmbHG zunächst nur unter den besonderen Voraussetzungen von § 30 Abs. 2 GmbHG und nicht als stets zulässige Vorgehensweise anerkannt. Eine Rückzahlung von Gesellschafterbeiträgen ist danach nur zulässig, wenn sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich ist und wenn sie nach Ablauf von drei Monaten erfolgt, nachdem ein Rückzahlungsbeschluss bekanntgemacht worden ist. Die Sperrfrist, die ihrem Zweck nach Gesellschaftsgläubigern die Wahrung ihrer Rechte ermöglichen soll, wäre im Streitfall schon nicht eingehalten worden.

Hinzu kommt, dass die in § 26 GmbHG geregelte Zahlung von Gesellschafternachschüssen und die in § 30 GmbHG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässige Rückzahlung von Nachschüssen ersichtlich nicht die Rückzahlung von Fremdkapital in Gestalt von Darlehensverbindlichkeiten mit den nachgeschossenen Geldmitteln erfassen, sondern die Rückzahlung des zuvor mit den Nachschüssen erhöhten Eigenkapitals.

Auch soweit das seinerzeit erkennende erstinstanzliche Finanzgericht München in einem Urteil vom 27.10.2009 unter dem Aktenzeichen 6 K 3941/06 einen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt hat und dabei maßgeblich darauf abstellte, dass das Steuerrecht an die zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Gesellschafterfinanzierung anknüpft und ebenfalls von einer steuerrechtlichen Finanzierungsfreiheit auszugehen ist, steht nicht im Widerspruch zu der Bewertung der im Streitfall gewählten Vorgehensweise als Gestaltungsmissbrauch.

Insbesondere wird die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter, nach der es einem Gesellschafter vollkommen freisteht, seine Gesellschaft entweder mit Eigenkapital oder auch mit Fremdkapital zu finanzieren nicht in Abrede gestellt bzw. eingeschränkt. Denn die Versagung der steuerlichen Anerkennung folgt im Streitfall nicht schon daraus, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin formal Eigenkapitalmittel anstelle von Fremdkapitalmittel zur Verfügung gestellt hat. Der Gestaltungsmissbrauch liegt nicht in diesem von der Finanzierungsfreiheit erfassten Einzelschritt, mit dem das Bilanzbild der Klägerin bereits verbessert und deren Eigenkapitalquote unter Minderung des Verschuldungsgrad erhöht worden wäre. Der Gestaltungsmissbrauch ergibt sich im vorliegenden Fall vielmehr zusammen mit dem sich anschließenden zweiten Teilschritt der Darlehensrückgewähr mittels der unmittelbar zuvor gewährten Einlagemittel und der Abwicklung sämtlicher Teilschritte nur als zeitlich kurz hintereinander vorgenommene Buchungsvorgänge im konzerninternen System. Erst in dieser Gesamtschau wird die gesetzlich vorgesehene Folge beim Wegfall einer Darlehensverbindlichkeit durch Verzicht eines Gläubigers umgangen und der Gestaltungsmissbrauch offenbar.

Tipp: Alles in allem scheint es daher auch nach der Entscheidung möglich, weiterhin ein Hin- und Herzahlen steuerrechtlich anerkennen zu können. Vorliegend ist die Entscheidung des Finanzgericht Düsseldorfs auch noch nicht rechtskräftig, da insoweit die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 11/22 anhängig ist.

Wer sich dennoch deutlich vom im Urteilsfall einschlägigen Sachverhalt abgrenzen möchte, sollte darauf achten, dass die das Geld empfangende Gesellschaft auch tatsächlich eine Verfügungsmacht über diese Einlagemittel erlangt. Ebenfalls kann es in der Praxis hilfreich sein, wenn die Einzahlung und die Rückzahlung des Darlehens mit einem gewissen zeitlichen Abstand erfolgen. Wie immer gilt auch hier: Außersteuerliche Gründe für die Vorgehensweise sind das Maß aller Dinge, damit unter dem Strich ein Gestaltungsmissbrauch nicht vorgeworfen werden kann.

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9. Für Erben: Persönlicher Freibetrag bei Erbverzicht der Eltern

Die vorliegende Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 28.2.2022 unter dem Aktenzeichen 3 K 176/21 zeigt einmal mehr, dass zivilrechtliche Fiktionen nicht unbedingt Einfluss auf das Steuerrecht nehmen. Das Steuerrecht ist insoweit ein weitgehend autarkes Recht. Im Weiteren geht es in diesem Zusammenhang konkret um die Frage des persönlichen Steuersatzes bei einem Enkel.

Zum Hintergrund: Grundsätzlich haben Enkelkinder einen persönlichen Freibetrag von 200.000 Euro. Sofern es sich bei dem Enkel jedoch um ein Kind eines verstorbenen Kindes handelt, erhöht sich der Freibetrag auf 400.000 Euro. Streitbefangen war nun, welcher Freibetrag zum Ansatz gebracht wird, wenn der Vater des erwerbenden Enkels gegenüber dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Entsprechend der zivilrechtlichen Vorschrift in § 2346 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt (Fiktion!) der Vater damit nämlich als vorverstorben.

Entsprechend der Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch können Verwandte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist dann von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, als wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr leben würde. Er hat insoweit auch kein Pflichtteilsrecht.

Im hier besprochenen Fall haben der Erblasser (Großvater) und der Vater des hier erwerbenden Klägers einen Erbverzichtsvertrag geschlossen, durch den der Vater des Klägers gegenüber dem Erblasser auf ein gesetzliches Erbrecht verzichtet hatte. Zivilrechtlich besteht daher für ihn eine sogenannte Vorversterbens-Fiktion. Es wird also so getan, als wenn der Vater schon gestorben wäre. Dies ist aber wohlgemerkte lediglich eine zivilrechtliche Fiktion. Sie führt hingegen nicht dazu, dass der Kläger (Enkel) einen erbschaftsteuerlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro erhält. Die zivilrechtlich in § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Gesetzgeber normierte Vorversterbens-Fiktion schlägt nicht auf eine entsprechende Anwendung im Erbschaftssteuerrecht durch.

Dies begründet das erstinstanzliche Finanzgericht aus Niedersachsen wie folgt: Zunächst soll berücksichtigt werden, dass der Kläger (Enkel) nicht im Wege der gesetzlichen Erbfolge, sondern aufgrund einer testamentarischen Verfügung des Erblassers zum Erben geworden ist. Die Wirkung dieser Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch ist daher nur insoweit eingetreten, als der Vater des Klägers kein Pflichtteilsrecht beanspruchen konnte.

Gegen die Gleichsetzung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals „verstorbener Kinder“ im Erbschaftssteuerrecht mit „als verstorben geltenden Kindern“ aufgrund der Vorversterbens-Fiktion im Bürgerlichen Gesetzbuch spricht zudem der Umstand, dass der Verzichtende nur auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet und somit weiterhin aufgrund gewillkürter Erbfolge zum Erben berufen werden kann. Für diesen Fall würde dann ebenso wie für den Fall von Schenkungen der Freibetrag von 400.000 Euro gelten. Damit ist denkbar, dass der Freibetrag von 400.000 Euro doppelt in Anspruch genommen werden könnte, falls er auch der nachfolgenden Generation wegen der Vorversterbens-Fiktion zugestanden werden würde. Das erstinstanzliche Gericht kann hingegen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber eine solche Doppelbegünstigung beabsichtigt hat.

Ebenso geht das Gericht sowohl aufgrund des Wortlautes sowie aufgrund des Sinnes und Zwecks der Norm davon aus, dass dem Enkel im vorliegenden Fall nur ein Freibetrag von 200.000 Euro zur Verfügung steht.

Nach dem Wortlaut im Erbschaftsteuergesetzes steht der Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro Kindern vorverstorbener Kinder zu. Der Wortlaut beinhaltet eben nicht den Zusatz, dass auch Kinder als vorversterbend geltender Kinder zu berücksichtigen sind. Er beschränkt sich damit nur auf tatsächlich vorverstorbene Kinder eines Erblassers.

Gegen eine anderweitige Auslegung des Wortlautes sprechen zudem Sinn und Zweck der Regelung. Mit der gesetzlichen Regelung des Freibetrags in Höhe von 400.000 Euro setzte der Gesetzgeber seinerzeit eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus dessen Beschluss vom 22.6.1995 unter dem Aktenzeichen 2 BvR 552/91 um. Der Gesetzgeber war nämlich von Verfassung wegen gehalten, für einen Erhalt des Familienvermögens zu sorgen. Diesem Umstand begegnete der Gesetzgeber mit der Einführung des hier in Rede stehenden Freibetrags durch das Jahressteuergesetz 1997 in Höhe von zunächst 400.000 DM später umgerechnet in Euro und ab 2009 erhöht auf aktuell 400.000 Euro. Diesen Betrag qualifizierte der Gesetzgeber als wesentlichen Teil etwaigen Familienvermögens und stellte ihn durch die Einführung dieses Freibetrags im Fall der Übertragung auf die nächste Generation erbschaftsteuerlich frei. Weder ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes noch einer Äußerung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine solche Freistellung auch für den Fall erbrechtlicher Gestaltungen beabsichtigt ist. In einem solchen Fall besteht nämlich die Gefahr einer Überbegünstigung von Erben, da auch dann der Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro sowohl dem Kind als auch dem Kindeskind gewährt werden könnte.

Folglich bleibt es dabei, dass die durch einen Erbverzicht ausgelöste Vorversterbens-Fiktion des § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu einem erbschaftsteuerlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro aufgrund der Regelung des § 16 Abs. 1 Nummer 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) führt.

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